Interview: Sonntagsjass oder Sonntagspredigt: Was gefällt Ihnen besser?
Ruedi Heinzer: Mir gefällt der Jass besser. Aber ich hoffe, den Leuten passen meine Predigten besser. (lacht)
Jassen ist Schweizer Volkskultur, geniesst grosse Beliebtheit. Im Unterschied zur Kirche. Die hat immer
weniger Zulauf. Müsste man Jass-Gottesdienste veranstalten ?
Ruedi Heinzer: Jassnachmittage, das gibt es ja schon, veranstaltet von den Kirchgemeinden. Ich habe als Pfarrer das Spielen
mal in einem Gottesdienst zum Thema gemacht. Das Jassen hat mich damals zu faszinieren begonnen. Selber bin ich kein
leidenschaftlicher Jasser, eher ein Kartenständer. Aber viele Themen aus dem christlichen Glauben sind auch beim Jassen zu finden.
Wer jasst, will gewinnen. Da hat die christliche Nächstenliebe nicht viel verloren.
Ist jemand, der gwinnen will, ein schlechter Christ ?
Ruedi Heinzer: Wahrscheinlich sogar ein guter Christ. Natürlich, einen anderen fertig machen, das ist das Gegenteil von Liebe
deinen Nächsten wie Dich selbst. Aber jemand, der weiss, dass er diesen Anteil in sich trägt, ist eben kein schlechter Christ.
Beim Jassen gehe es gerechter zu als in der Gesellschaft, kann man in ihrem Buch lesen.
Wie kommen Sie darauf ?
Ruedi Heinzer: Beim Jassen starten alle mit den gleichen Chancen. Es ist wie eine Utopie. Etwas, was man sich wünschen würde für die Welt.
Aber man kann ein gutes oder schlechteres Blatt erhalten.
Ruedi Heinzer: Das ist richtig. Und jemand kann auch geübter sein als der andere. Aber es fängt bei jedem Spiel neu an. Und für alle gelten
die gleichen Regeln, und man hält sich auch an diese Regeln.
Jassen an einem hohen christlichen Feiertag wie Ostern. Geht das ?
Ruedi Heinzer: Das passt sehr gut. Ostern ist ein Freudentag. Man kennt das Osterlachen. Jassen am Karfreitag hingegen, das würde
mich dann aber weniger passen. Das ist der Gedenktag an Jesus, an sein Leiden.